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Kurze Vollzeit für alle? Vergangenheit und Zukunft von Arbeitszeitverkürzungen
29. Oktober / 19:00 - 21:00
Kostenlos2024 hat ver.di hat eine Befragung unter Beschäftigten des öffentlichen Dienstes durchgeführt. Hier gaben 66,9% der Befragten an, dass sie sich nach der Arbeit leer und ausgebrannt fühlen. Lediglich 31,2% gaben an, ihre Tätigkeit einschränkungsfrei bis zum Rentenalter fortführen zu können. Die nächste Tarifrunde im öffentlichen Dienst ab Januar 2025 wird sich neben dem Geld entsprechend auch um Entlastung und Arbeitszeit drehen. Arbeitszeitverkürzung könnte vor dem Hintergrund der Befragung sowie des viel beklagten Fachkräftemangels sinnvoll und sogar interessenpolitisch geboten sein.
Kämpfe um Arbeitszeit sind keine Neuheit. Der Acht-Stunden-Tag und die Fünf-Tage-Woche stellen zwei der größten Erfolge der Gewerkschaftsbewegung im Kampf um Arbeitszeitverkürzung dar. Seit 1990 herrscht allerdings weitgehend Stillstand beim Thema kollektive Arbeitszeitverkürzung. Doch in den letzten Jahren scheint sich der Wind zu drehen: Die IG Metall setzt sich im Stahlsektor für eine Absenkung der Wochenarbeitszeit auf 32 Stunden und eine Angleichung der Arbeitszeiten in Ost und West ein und die GDL erstritt erfolgreich eine 35-Stunden-Woche für Schichtbeschäftigte der Bahn. Und auch ver.di hat das Thema mit ihrer Arbeitszeitbefragung im Öffentlichen Dienst prominent gesetzt. Die Vier-Tage-Woche scheint mehr und mehr Gestalt anzunehmen. Das gilt noch viel mehr im europäischen Ausland: In Island führten Experimente mit einer 35-Stunden-Woche im Öffentlichen Dienst zu Arbeitszeitverkürzungen auf breiter Flur. In Großbritannien wurde nach einem Feldversuch mit über 60 Unternehmen und fast 3000 Beschäftigten von rund 90% der teilnehmenden Betriebe die Vier-Tage-Woche dauerhaft eingeführt.
In seinem Vortrag wird Philipp Frey die gegenwärtige Debatte über Arbeitszeitverkürzungen historisch verorten und aufzeigen, dass es sich bei der Forderung nach Arbeitszeitverkürzungen eigentlich nicht um etwas Außergewöhnliches handelt: seit Einsetzen der Industrialisierung stellen kürzere Arbeitszeiten einen naheliegenden Weg dar, wie Beschäftigte an ihrer steigenden Produktivität partizipieren können – auch wenn diese Teilhabe immer wieder aufs Neue erstritten werden musste. Dabei spielen auch geschlechterspezifische Aspekte eine Rolle. Außerdem wird er einen Einblick in die Erfahrungen bieten, die Beschäftigte in ganz Europa mit Arbeitszeitverkürzungen gesammelt haben, und auch aktuelle Entwicklungen in Deutschland darstellen. Abschließend wird er diskutieren, inwiefern Arbeitszeitverkürzungen vor dem Hintergrund eines viel beklagten Fachkräftemangels möglich und sogar interessenpolitisch geboten sind.
Anschließend kommentiert Daniel Herold den Vortrag und blickt aus Perspektive von ver.di SAT auf aktuelle Auseinandersetzungen im Themenfeld Arbeitszeitverkürzung.
Referent*innen
- Philipp Frey ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Dort forscht er zur Zukunft der Arbeit. Frey ist Research Affiliate beim britischen Autonomy Think Tank, Vorsitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg und aktiv bei ver.di.
- Daniel Herold ist Bezirksgeschäftsführer von ver.di Sachsen West-Ost-Süd.
Eine Veranstaltung von ver.di SAT und der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen
Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.